Frühkindlicher Autismus
Die Bezeichnung Frühkindlicher Autismus ist etwas missverständlich, da sie – unabhängig vom Lebensalter der betroffenen Menschen – eine Kategorie der Autismus-Spektrum-Störungen beschreibt. Sie ist durch die sogenannte „Symptom-Trias“ gekennzeichnet, durch Störungen der sozialen Interaktion, der Kommunikation und Sprache sowie der Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten. Häufig weisen diese Kinder auch eine Intelligenzminderung auf.
Soziale Interaktion: Kinder mit frühkindlichem Autismus fallen dadurch auf, dass sie wenig Gestik und Mimik einsetzen und der Blickkontakt flüchtig und kaum auf die Bezugspersonen gerichtet wirkt. Es gelingt ihnen kein befriedigender Kontakt zu Gleichaltrigen – auch weil sich ihre Interessen sehr von denen der anderen unterscheiden. Sie nehmen Gefühle oder Stimmungen ihrer Bezugspersonen kaum wahr bzw. reagieren unangemessen, z.B. mit Lachen auf ein weinendes Kind. Die Kinder verspüren wenig Verlangen, ihre Interessen oder Tätigkeiten mit anderen zu teilen (Dinge zeigen, bringen, tauschen, erklären).
Kommunikation und Sprache: die Sprache setzt verspätet, unvollständig oder gar nicht ein und das Kind versucht nicht, durch Gestik oder Mimik die fehlende Sprache auszugleichen. Besonders bemerkenswert ist, dass es nicht mit dem isolierten Zeigefinger auf Dinge zeigt, die es interessant findet oder haben will, sondern oft die Hand der Bezugspersonen zum begehrten Gegenstand hinführt. Falls das Kind spricht, gelingt es ihm nur unzureichend ein Gespräch zu beginnen bzw. aufrechtzuerhalten und es achtet nicht auf die Reaktionen seines Gegenübers. Sprache wird sehr stereotyp verwendet (manchmal wie ein Echo = Echolalie) und es kommen viele Wiederholungen vor. Es ist kaum soziales Imitationsverhalten zu beobachten und auch Rollenspiele kommen selten vor.
Stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten: die Beschäftigung der Kinder wirkt gleichförmig und haftend. Oft interessieren sie sich für ungewöhnliche Dinge, wie zum Beispiel Lichtschalter, Türklinken, Glühbirnen oder Wasserhähne. Auch eher übliche Interessen, wie zum Beispiel Eisenbahnen, werden mit auffälliger Intensität verfolgt und ein Themenwechsel gestaltet sich schwierig. Ritualisierte Verhaltensmuster (etwas immer in der gleichen Art und Weise machen zu müssen) gehören ebenfalls zum Störungsbild. Manchmal sind bizarre Bewegungen der Hände oder des ganzen Körpers zu beobachten (wedeln mit den Händen, vor- und zurückschaukeln mit dem ganzen Körper, selbstverletzendes Verhalten). Das Interesse und die Aktivitäten des Kindes beziehen sich oft auf Teile eines Gegenstandes, wie zum Beispiel das Drehen von Rädern eines umgedrehten Spielzeugautos sowie bestimmte sensorische Sensationen, wie Oberflächenbeschaffenheiten oder Geräusche. Häufig leidet das Kind unter lauten Geräuschen, gerät dann in Panik und hält sich die Ohren zu. Andererseits sind Unterempfindlichkeiten beim Kälte- und Wärmeempfinden (geht im Winter im T-Shirt nach draußen) und eine fehlende Schmerzwahrnehmung oder weitere Wahrnehmungsbesonderheiten mögliche Auffälligkeiten.
Die Symptome des Frühkindlichen Autismus müssen bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres erkennbar sein, bzw. rückblickend beschrieben werden können. Meist sind sie schon von Geburt an vorhanden, machen sich aber erst im Alter von ca. ein bis eineinhalb Jahren deutlich bemerkbar.
Manche Kinder entwickeln sich so positiv, dass sie im Laufe ihrer Entwicklung der Gruppe der Kinder mit hochfunktionalem Autismus zugeordnet werden. Diese beobachtete Varianz in der Entwicklung hat unter anderem auch zur Einführung des Konzepts der Autismus-Spektrum-Störung geführt.