Therapiekonzept

Einzeltherapiemethoden nach dem Multimodalen Modell

Die multimodale Arbeit fußt auf Erkenntnissen aus der (Autismus-) Therapieforschung. Die eingesetzten Verfahren versuchen teils ursächlich, teils kompensatorisch eine therapeutische Antwort auf die autismusspezifischen Störungskomplexe zu geben. Besonders werden dabei die Erklärungsmodelle der Perspektivübernahme (Theory of Mind), zum kontextbezogenem Wahrnehmen und Handeln (zentrale Kohärenz) und zum absichtsvollen, planerischem Denken und Verhalten (exekutive Funktionen) berücksichtigt. Bei der Anwendung der spezifischen Methoden ist uns eine von Wertschätzung geprägte Haltung für die Besonderheiten unserer Klienten eine wichtige Grundlage.

Die beschriebenen Methoden werden gemäß Alter, Störungsbild und Fähigkeitsniveau des Kindes eingesetzt. Sie haben innerhalb ihrer Kategorien lediglich exemplarischen Charakter und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

 

Basismethoden zur beziehungsorientierten Förderung der „Schlüsselkompetenzen“

Zu Beginn einer Behandlung steht ganz wesentlich der Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Kind und Therapeut. Auf dieser Grundlage finden in der Folge alle Interventionen statt. Unter der therapeutischen Beziehung verstehen wir eine modellhafte, positive Verbindung, die das Kind oder den Jugendlichen motivieren soll, mehr solcher entwicklungsfördernden Erfahrungen zuzulassen. Die Eltern und das Umfeld werden dabei ebenfalls angeleitet, die förderlichen und wirkungsvollen Aspekte in die jeweiligen Lebensbereiche zu integrieren. Damit ist die therapeutische Beziehung von ihrer Zielrichtung nicht etwas Exklusives, sondern ist immer auf die Generalisierung in Bezug auf die Alltagswelt der Klienten zu verstehen.

Die Förderung der „Schlüsselkompetenzen“, d. h. der Fähigkeit, auf die verbalen und nonverbalen Signale der Kommunikationspartner zu achten und sich daran zu orientieren, gehört zum Schwerpunkt der Anfangsphase der Therapie. Autistische Kinder haben keine angeborene Präferenz für das menschliche Gegenüber. Sie ziehen oftmals die Beschäftigung mit Gegenständen oder Spezialinteressen der Interaktion mit ihren Bezugspersonen vor. Aufgrund dessen lernen sie nicht in ausreichendem Maße, die wichtigen verbalen und nonverbalen Signale des Gegenübers zu beachten.

Folgende therapeutische Basismethoden eignen sich hervorragend zum Therapieeinstieg, vor allem bei kontaktabwehrenden Kindern und bei Therapiekrisen. Es sind „offene“ interaktionsorientierte Methoden, die sich in spielerischer Weise stark an den Interessen des jeweiligen Kindes ausrichten. Sie sind zum Teil (z. B. RDI) sehr gut in das Elternverhalten im Alltag zu integrieren:

  • Early Start Denver Modell (ESDM)Relationship
  • Development Intervention (RDI)
  • Differentielle Beziehungstherapie (DBT)
  • Aufmerksamkeits-Interaktions-Therapie (AIT)
  • Sensorische Integration (SI)
  • Kreativtherapien (Kunst, Tanz, Musik, Theater, Zaubern)

 

Methoden zur Modulation autismusspezifischer Verhaltensstörungen

Die hier beschriebenen Methoden sollten stets auf der Grundlage einer tragfähigen (therapeutischen) Beziehung und bei ausreichend vorhandener bzw. geförderter Schlüsselkompetenzen angewandt werden. Es sei betont, dass es keine mechanistische „erst-dann“ Aufeinanderfolge geben kann. Auch in der Phase der Verhaltensmodulation kann es, z. B. in Krisensituationen, sinnvoll sein, der Stärkung der Beziehung Vorrang vor weiteren Verhaltensfortschritten zu geben.

 

Verhaltensmodulierende Methoden sind:

  • Early Start Denver Modell (ESDM)
  • Autismusspezifische Verhaltenstherapie (AVT)
  • Sprach- und Kommunikationsförderung – Lautsprache, Gebärden, Bildkarten, Talker u.a.m.
  • Strukturierungs- und Visualisierungshilfen nach TEACCH (Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children)
  • Training der sozialen Kompetenz: Social Stories, Comic Strip Conversations, Bild- und Filmimpulsmaterial, Computergestützte Programme, Soziale Kompetenzgruppen

Diese Verfahren haben einen deutlich strukturierenden und übungsbezogenen Charakter. Ihr Wert liegt in der Einflussnahme bei konkreten Verhaltensproblemen (z. B. Schlafstörungen), der systematischen Förderung hinsichtlich der autismusspezifischen Beeinträchtigungen (z. B. Sprache, soziale Interaktion) und den zeitnah und klar zu benennenden Therapieerfolgen.

 

Methoden zur Stabilisierung und Integrierung von Therapiefortschritten

Bevor eine Therapie bei uns zu Ende geht, ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Therapiefortschritte sicher abrufbar sind und in den Lebensalltag der betreffenden Familie integriert werden können. Hierzu ist oft wichtig, mit den Betroffenen Leitlinien für ein Vorgehen bei erneuten Krisen zu besprechen. Ins Konzept einer autismusspezifischen Behandlung müssen stets auch die allgemeinen Entwicklungs- und Lebensthemen der Klienten einbezogen werden, z. B. Pubertäts- und Lebenskrisen. Auch der Mitberücksichtigung von Begleitstörungen, den komorbiden Störungen, kommt eine besondere Bedeutung zu. Zum Einsatz kommen folgende Methoden:

  • Gesprächspsychotherapeutische Methoden
  • Interventionen zur Identitätsbildung
  • Familiengespräche

Familiengespräche können in verschiedenen Phasen einer Therapie unterschiedliche Ziele verfolgen, z. B. Prävention der Entwicklung manifester, destruktiver familiärer Dynamiken, Verhinderung der Trennung der Eltern aufgrund der Belastung durch das autistische Kind, Verbesserung der familiären Beziehungs- und Kommunikationskompetenzen, Aufarbeitung problematischer Geschwisterbeziehung(en) und Verhinderung zusätzlicher Pathologisierung einzelner Familienmitglieder.

Familien mit einem autistischen Kind haben häufig bereits massive Schuldzuweisungen erlebt, was zu einer Ablehnung familienberaterischer Hilfen führen kann. Sich hier im Vorfeld sensibel einen „Auftrag“ zu erarbeiten, ist oft von gr0ßer Bedeutung für ein erfolgreiches Arbeitsbündnis.

Hat eine Familie als Ganzes einen angemessenen Umgang mit ihrer besonderen Situation gefunden, fällt es ihr leichter, Zugang zu ihren Selbsthilfekompetenzen zu bekommen.