Geschichte des Vereins

Der Autismus Landesverband Hamburg e.V. (früher Verein zur Förderung autistischer Kinder e.V.) geht aus einer Selbsthilfeinitiative betroffener Eltern hervor, die zu Beginn der 1970er-Jahre zunächst keinen Ansprechpartner für ihre besonderen Erziehungsprobleme fand. Das geschah zu einer Zeit, in der erst per Gutachten fest gestellt werden musste, „dass der größte Teil der autistischen Kinder bildungsfähig ist“ (Gutachten Prof. Kehrer, 1972). Die Gruppe der „ersten Eltern“ wuchs schnell auf 22 Personen an. Mit Professorin Hedwig Wallis, der damaligen Leiterin der psychosomatischen Abteilung der Universitätsklinik in Hamburg-Eppendorf, gewannen sie eine kompetente, entgegenkommende und sehr kooperative Unterstützerin. Sie beriet die Eltern hinsichtlich des Umgangs mit der autistischen Störung ihrer Kinder und stellte ihnen für ihre Treffen einen kleinen Hörsaal zur Verfügung. Diese Selbsthilfegruppe gründete am 1.11.1972 den „Verein zur Förderung autistischer Kinder e.V.“. Gründungsmitglied war u.a. Helen Blohm, die auch langjährige Vorsitzende im Bundesverband war. Im gleichen Jahr eröffnete das Therapiezentrum. Damit ist der Hamburger Verein, mit seinem Therapiezentrum die älteste Förderstelle für autistische Kinder in Deutschland. Verein und Therapiezentrum sind seitdem in ihrer Entwicklung eng miteinander verbunden.

Zu Beginn musste die Therapie von den Eltern noch selbst bezahlt werden. 1974 sicherte die Hamburger Sozialberhörde den Eltern die Kostenübernahme zu. Allerdings erfolge sie oft sehr verzögert. Auf der Grundlage (des bis Ende 2004 geltenden) Bundessozialhilfegesetzes (derzeit SGB XII beziehungsweise KJHG, ab 2020 Bundesteilhabegesetz). Auch räumlich galt es zunächst zu improvisieren, denn es stand nur ein Raum in einer Etagenwohnung in der Sierichstraße zur Verfügung. 1974 ergab sich die Möglichkeit, einige (später alle) Räume eines Hauses mit Garten am Rathenaukanal in der Bebelallee im Stadtteil Alsterdorf zu nutzen, die die Familie Blohm dem Verein zur Miete anbot. Im gleichen Haus unterhielt auch der Bundesverband autismus Deutschland seine Geschäftsstelle. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten 5 Therapeut:innen in der Therapieeinrichtung und versorgten ca. 60 Klient:innen. Bereits in diesen Anfangsjahren zeigte sich wie wichtig die Therapie und Beratung für die Eltern war, z.B. in der Rückmeldung einer Mutter: „Für mich ist die Hilfe, ich ich durch das Institut erhalte, unendlich wichtig. Sie gibt mir die Kraft und den Mut, die Behinderung unseres Kindes unter wissenschaftlicher und praktischer Anleitung abzubauen und in eine annähernd normale Lebensform zu leiten“.

Das repräsentative Äußere des villenartigen Hauses förderte die Bekanntheit der Einrichtung. In den teils sehr verwinkelten Räumlichkeiten im Inneren ließen sich die verschiedenen therapeutischen Aktivitätsfelder gut aufteilen. Der Garten und die Möglichkeit, dort auch ein Tretboot und ein Kanu zu Therapiezwecken vorzuhalten, bereicherten die therapeutischen Settings. Zahlreiche historische Relikte des Hauses forderten jedoch auch immer wieder das Improvisationstalent der Mitarbeitenden.

Die Leitung der neu eröffneten Therapieeinrichtung übertrug der Vereinsvorstand dem gerade diplomierten Psychologen Bernd Miller. Seine engagierte Arbeit machte die Einrichtung bald bekannt, umgangssprachlich nannte man sie das „Miller-Institut“. Der Verein und das Therapiezentrum wurden zur Anlaufstelle für Eltern autistischer Kinder in Hamburg und Umgebung. Anfangs wurde – wie es der Zeit entsprach – rein verhaltenstherapeutisch gearbeitet. Das änderte sich allmählich, indem man die Bedeutung der Interaktionsförderung für die Autismustherapie erkannte. Von 1986 bis 2008 wurde das Autismus Institut von dem Diplom-Psychologen Hartmut Janetzke geleitet, der Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bundverbands wurde und unsere Einrichtung bei den Bundestagungen vertrat. Er engagierte sich stark in der Elternberatung und begründete die „Differenzielle Beziehungstherapie“. Obwohl es seit Beginn der 200er Jahre schon deutlich steigende Zahlen von Autismusdiagnosen gab, blieb das Autismus Institut unter der Leitung von Hartmut Janetzke recht klein mit einem therapeutische Standort und 6 Therapeut:innen. Erfreulicherweise ließen sich immer wieder Eltern finden, die durch ihre ehrenamtliche Vorstandsarbeit zum Erhalt und zur Fortentwicklung des Vereins beigetragen haben.

Von 2009 bis 2022 leitete Diplom-Psychologin Barbara Rittmann das Hamburger Autismus Institut, die vorher ca. 20 Jahre als Therapeutin in der Einrichtung tätig war. Unter ihrer Gesamtleitung und Geschäftsführung ist die Einrichtung stark gewachsen und die Therapie- und Beratungsangebote wurden deutlich erweitert. Barbara Rittmann erarbeitete für das therapeutische Vorgehen das Hamburger Multimodale Modell der Autismustherapie, das die relevanten therapeutischen Methoden in einem Gesamtkonzept zusammenfasst.

Es folgten diverse Veröffentlichungen, unter anderem 2017 und 2020 die beiden Bücher „Autismus-Therapie in der Praxis“ und „Autismus – frühe Diagnose, Beratung und Therapie“ (beide bei Kohlhammer). Sie rief mit Frau Irmgard Döringer (Autismus Therapieinstitut Langen) eine bundesweite Leitungsgruppe ins Leben und ist Gründungsmitglied der Fachgruppe Autismustherapie im Bundesverband autismus Deutschland und repräsentierte das Hamburger Autismus Institut auf Kongressen, Tagungen und durch zahlreiche Fortbildungen. Sie gründete das Hamburger Fortbildungs-Programm AUTPUT (Autismusfortbildungen – Praxis und Theorie).

Der wachsende Bedarf nach Autismus-Therapie und der Wunsch für die Eltern die Anfahrtswege zu verkürzen, führte zur Eröffnung weiterer Standorte (2011 Lüneburg, 2013 HH-Langenhorn, 2015 HH-Altona, 2018 HH-Wandsbek 1, 2022 Wandsbek 2). In diesem Zuge wurde auch die Leitungsebene durch eine kaufmännische Leitung und Standortleitungen erweitert. In erfolgreicher Teamarbeit konnten Kosten- und Leistungsvereinbarungen mit den Hamburger Behörden neu abgeschlossen werden und für die Mitarbeitenden ein tarifangelehntes Gehaltssystem eingeführt werden.

Barbara Rittmann begann die Kooperation mit der der Stiftung Irene und ihrer Vorsitzenden, Frau Susanne Müller-Deile. Zum einen beriet sie Frau Müller-Deile in Kooperation mit der Behindertenhilfe der Einrichtung „Das Rauhe Haus“ bei der Entstehung eines Wohnprojektes für Menschen mit hochfunktionalem Autismus. Inzwischen wohnen seit einigen Jahren mehrere Selbstbetroffene im eigenem Wohnraum mithilfe ambulanter Betreuung. Zum anderen ermöglichte die Stiftung Irene sehr großzügig mehrere Projekte des Hamburger Autismus Instituts, wie z.B. eine fachlich moderierte Selbsthilfegruppe und Beratungsangebot für Menschen mit hochfunktionalem Autismus, eine Autismus-Freizeitgruppe und eine therapeutisch geleitete Geschwistergruppe.

Auf die „Keimzelle“ unserer Einrichtung, das Therapiezentrum in der Bebelallee, kam 2016 eine große Veränderung zu. Da uns nach einer aufwendigen Sanierung durch den Vermieter die Villa nicht mehr zur Verfügung stand, zogen wir mit der Therapie-, Schulungs- und Verwaltungszentrale in Alsterdorf in modernere Räume am Alsterdorfer Markt um. Diese Räumlichkeiten entsprechen unseren professionellen Bedarfen in sehr hohem Maße und die unmittelbare Nähe der Stiftung Alsterdorf gibt uns die Möglichkeit, unsere gemeinsame Kooperation in idealer Weise zu vertiefen.

Durch die engagierte Vorstandsarbeit modernisierte sich auch dieses Gremium kontinuierlich. Unter dem Vorsitz von Michael Detmer wurde eine neue Vereinssatzung erarbeitet. Er hielt ebenfalls im Namen unseres Vereins eine Rede vor über 1.000 Teilnehmern bei der 13. Bundestagung von autismus Deutschland 2011 in Hamburg.

Der aktuelle Vorstand mit Ute Kellermann, Stefan Kupffer und Carola Lührs und die Beisitzer:innen Christina Rehr und Eduardo Garcia s engagiert sich vielseitig. Immer wieder konnten wir von einem besonderen Fachwissen einzelner Vorstandsmitglieder profitieren, wie zum Beispiel bei der Einführung unseres Klientenverwaltungsprogramms oder zum Thema Pflegeberatung. Seit längerem engagiert sich der Vorstand zusammen mit der Institutsleitung besonders hinsichtlich der Vernetzung unseres Vereins mit anderen Vereinen, der Möglichkeiten beruflicher Eingliederung von Menschen mit Autismus sowie hinsichtlich der Zertifizierung für Autismustherapeut:innen.

Seit 2023 ist Frau Susanne Heinemann, Diplom-Sozial-Pädagogin, Geschäftsführerin und Gesamtleitung, da sich Frau Rittmann in den Ruhestand verabschiedet hat. Susanne Heinemann war bereits seit 2014 als Leitungskraft bei uns tätig und hat in den Jahren vorher den Standort Alsterdorf und Lüneburg geleitet. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist der Bereich Ausbildung und Beruf sowie die Beratung erwachsener Menschen mit hochfunktionalem Autismus.